Bundesnotar

Bundesnotar

Der Bundespräsident ist das Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland. Durch das Grundgesetz ist seine Macht im politischen System des Landes beschränkt und umfasst vor allem repräsentative Tätigkeiten, weshalb er auch als pouvoir neutre bezeichnet wird. Mit der Entscheidungsgewalt über die Auflösung des Deutschen Bundestages im Falle der vom Bundeskanzler verlorenen Vertrauensfrage und bei der Wahl einer Minderheitsregierung kommt ihm jedoch auch eine wichtige staatspolitische Bedeutung zu. Der Bundespräsident ist nicht der Exekutive zuzurechnen, sondern steht über den drei Gewalten.[1]

Der Bundespräsident wird für eine Amtszeit von fünf Jahren von der Bundesversammlung gewählt. Die anschließende Wiederwahl ist nur einmal zulässig. Die Amtssitze des Bundespräsidenten sind das Schloss Bellevue in Berlin und die Villa Hammerschmidt in Bonn. In der Ausübung seiner Aufgaben unterstützt ihn das Bundespräsidialamt. Derzeitiger Amtsinhaber ist Horst Köhler. Die nächste Wahl eines Bundespräsidenten findet am 23. Mai 2009 statt.

Horst Köhler – neunter Bundespräsident (seit 2004 im Amt)
Standarte des Bundespräsidenten

Inhaltsverzeichnis

Aufgaben und Befugnisse

Der Bundespräsident hat in seiner Funktion als Staatsoberhaupt vor allem repräsentative Aufgaben:

  • er vertritt die Bundesrepublik völkerrechtlich,
  • er beglaubigt diplomatische Vertreter und
  • er hat auf Bundesebene das Begnadigungsrecht, welches er allerdings teilweise an andere Bundeseinrichtungen delegiert hat; er kann aber keine Amnestie aussprechen,
  • Gegenzeichnung, Ausfertigung und Verkündung der Bundesgesetze durch Bekanntmachung im Bundesgesetzblatt,
  • Vorschlagen eines Kandidaten zum Bundeskanzler zur Wahl durch den Bundestag sowie dessen Ernennung und Entlassung,
  • Ernennung und Entlassung von Bundesministern auf Vorschlag des Bundeskanzlers,
  • Ernennung und Entlassung von Bundesrichtern, Bundesbeamten, Offizieren und Unteroffizieren, sofern nichts anderes durch Anordnungen und Verfügungen bestimmt ist,
  • Möglichkeit zur Auflösung des Bundestages nach dreimalig gescheiterter Kanzlerwahl oder einer gescheiterten Vertrauensfrage.
  • Verkündung der Feststellung des Verteidigungsfalls und Abgabe völkerrechtlicher Erklärungen nach Beginn eines Angriffes sowie
  • Einberufung der Parteienfinanzierungskommission nach dem Parteiengesetz

In all diesen Fällen ist der Bundespräsident vor allem Ausführender. Fast jeder dieser Akte bedarf nach Artikel 58 des Grundgesetzes der Gegenzeichnung durch ein Mitglied der Bundesregierung. Dies führt dazu, dass der Bundespräsident gelegentlich ironisch als Staatsnotar bezeichnet wird.

Völkerrechtliche Vertretung und Außenpolitisches Engagement

Der Bundespräsident vertritt völkerrechtlich die Bundesrepublik. Er beglaubigt deutsche Vertreter (in der Regel durch Akkreditierungsbrief) und empfängt und bestätigt Vertreter Internationaler Organisationen und ausländischer Staaten in Deutschland durch Entgegennahme ihrer Akkreditierung (→ Agrément). Für den Abschluss völkerrechtlicher Verträge stellt er deutschen Vertretern die erforderliche Vollmacht aus und wenn diese unterzeichnet sind, verkündet er das Zustimmungs- und Transformationsgesetz und fertigt die Ratifikationsurkunde aus. Damit erklärt die Bundesrepublik im Außenverhältnis, den Vertrag für verbindlich und wirksam anzusehen. Die politische und materielle Entscheidung hierzu treffen allerdings die Bundesregierung und der Bundestag.

Der Bundespräsident unternimmt Staatsbesuche. Regelmäßig machte der Bundespräsident seinen ersten Staatsbesuch im Amt in Frankreich. Bundespräsident Köhler ist von dieser Regel abgewichen, indem er seinen ersten Staatsbesuch seinem Geburtsland Polen, Deutschlands östlichem Nachbarn, abstattete.

Die Feststellung des Verteidigungsfalls, die auf Antrag der Bundesregierung durch Bundestag und Bundesrat erfolgt, wird vom Bundespräsidenten im Bundesgesetzblatt verkündet. Sobald der Verteidigungsfall verkündet ist, kann der Bundespräsident mit Zustimmung des Bundestages völkerrechtliche Erklärungen über das Bestehen des Verteidigungsfalls abgeben.

Ernennung und Entlassung der Mitglieder der Bundesregierung

Der Bundespräsident schlägt nach Artikel 63 dem Bundestag einen Kandidaten für die Wahl zum Bundeskanzler vor. Dem Vorschlag gehen regelmäßig Gespräche mit den betroffenen Politikern voraus. Rechtlich ist der Bundespräsident in seiner Vorschlagsentscheidung frei. Jedoch hat bisher jeder Bundespräsident den Kandidaten der bei der Bundestagswahl siegreichen Koalition zum Bundeskanzler vorgeschlagen; jeder dieser Kandidaten ist dann auch gewählt worden. Sollte der vom Bundespräsidenten vorgeschlagene Kandidat nicht gewählt werden, so beginnt eine zweiwöchige Frist, in der der Bundestag unabhängig vom Vorschlag einen Bundeskanzler wählen kann. In jedem Fall muss der Bundespräsident einen mit absoluter Mehrheit gewählten Kandidaten ernennen. Kommt eine Wahl mit absoluter Mehrheit aber weder in den zwei Wochen noch in der sich unmittelbar anschließenden dritten Wahlphase zustande, so ist die Ernennung eines Minderheitskanzlers ebenso möglich wie die Auflösung des Bundestages. In diesen Fällen ist eine Gegenzeichnung durch die Bundesregierung nicht erforderlich.

Der Bundespräsident muss die vom Bundeskanzler Vorgeschlagenen zu Bundesministern ernennen. Er hat hier allenfalls ein formales Prüfungsrecht, etwa ob der Vorgeschlagene Deutscher ist; er besitzt jedoch kein materielles oder personelles Prüfungsrecht. Ein diesbezügliches Ansinnen von Theodor Heuss, der sich vor der Ernennung der Minister des ersten Kabinetts Adenauer eine Ministerliste vorlegen lassen wollte, wurde von Adenauer zurückgewiesen.

Auch bei der Entlassung eines Ministers hat der Bundespräsident kein Mitspracherecht. Er muss die vom Bundeskanzler getroffene Entscheidung formal nachvollziehen.

Der Bundespräsident kann einen Rücktritt des Bundeskanzlers nicht ablehnen; er muss den Bundeskanzler in diesem Fall entlassen. Er muss auch im Falle des erfolgreichen Misstrauensvotums den bisherigen Amtsinhaber entlassen und den neu Gewählten ernennen.

Der Bundespräsident kann nach Artikel 69 des Grundgesetzes einen entlassenen Bundeskanzler oder Bundesminister ersuchen, die Amtsgeschäfte bis zur Wahl eines Nachfolgers weiterzuführen. Er hat dies in der Regel so gehandhabt. Einzige bedeutende Ausnahme war die Entlassung von Willy Brandt nach dessen Rücktritt 1974. Hier hatte Brandt darum gebeten, nicht mit der Weiterführung der Amtsgeschäfte betraut zu werden. Heinemann entsprach diesem Wunsch; somit amtierte der soeben entlassene Vizekanzler Walter Scheel für einige Tage als Bundeskanzler.

Der Bundespräsident wirkt auch nicht an der Ernennung des Stellvertreters des Bundeskanzlers mit. Dies ist eine Entscheidung, die nach Artikel 69 Absatz eins des Grundgesetzes ausschließlich durch den Kanzler getroffen und vollzogen wird.

Unterzeichnung und Prüfung von Gesetzen

In der Vergangenheit haben die Bundespräsidenten bisher lediglich acht Mal, jedoch unter großer öffentlicher Beachtung, Bundesgesetze nicht „ausgefertigt“, das heißt nicht unterzeichnet. Einige zogen in ihren Begründungen Fehler im Gesetzgebungsverfahren heran, andere monierten materielle Verstöße gegen das Grundgesetz.

Theodor Heuss kippte 1951 das „Gesetz über die Verwaltung der Einkommens- und Körperschaftssteuer“, weil ihm die Zustimmung des Bundesrates fehlte. Neun Jahre später verweigerte sein Nachfolger Heinrich Lübke dem „Gesetz über den Betriebs- und Belegschaftshandel“ seine Unterschrift. Er sah darin einen unzulässigen Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Gleich zweimal zeigte Gustav Heinemann dem Gesetzgeber seine Grenzen auf: Sowohl für das Ingenieurgesetz (1969) als auch das Architektengesetz (1970) sah er keine Gesetzgebungskompetenz des Bundes gegeben.

Das „Gesetz zur Erleichterung der Wehrdienstverweigerung“ wurde 1976 von Walter Scheel gestoppt, der wie schon Heuss die Zustimmung der Länderkammer vermisste. Bundespräsident von Weizsäcker hielt 1991 das „10. Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes“, welches die formale Privatisierung der Luftverkehrsverwaltung vorsah, für materiell verfassungswidrig und unterzeichnete es nicht. Dies führte zur Einfügung des Artikels 87d Absatz 1 Satz 2 in das Grundgesetz, der es dem Gesetzgeber freistellte, ob er die Luftverkehrsverwaltung in öffentlich-rechtlicher oder in privatrechtlicher Weise gestaltet. Daraufhin wurde das Gesetz erneut beschlossen und schließlich durch von Weizsäcker unterzeichnet.

Horst Köhler unterschrieb im Oktober 2006 das Gesetz zur Neuregelung der Flugsicherung wegen Unvereinbarkeit mit Art. 87d Abs. 1 GG nicht.[2] Im Dezember 2006 wies er das Verbraucherinformationsgesetz zurück, da es aus seiner Sicht im Widerspruch zu Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG steht, der es dem Bund verbietet, per Gesetz den Gemeinden Aufgaben zu übertragen.[3]

In neun Fällen unterzeichneten Bundespräsidenten zwar Gesetze, verbanden dies jedoch mit einer öffentlichen Erklärung über verfassungsmäßige Bedenken. So verhielten sich u. a. Carstens beim Staatshaftungsgesetz 1981, von Weizsäcker bei der Neuregelung der Parteienfinanzierung 1994, Herzog beim Atomgesetz 1994, Rau beim Zuwanderungsgesetz 2002 und Köhler beim Luftsicherheitsgesetz 2006.

Formelle Prüfungskompetenz

Der Bundespräsident hat bei der Unterzeichnung von Gesetzen ein formelles Prüfungsrecht, ob diese verfassungsgemäß zustande gekommen sind. Teile der Rechtswissenschaft sehen dies sogar als Prüfungspflicht. Dabei gibt es unterschiedliche Auffassungen wie weit das formelle Prüfungsrecht des Bundespräsidenten reicht. Die Vertreter einer sehr engen formellen Prüfungskompetenz wollen diese auf die Art. 78, 81 II 1, 115d II 3 GG beschränkt sehen, also auf die erforderliche Beteiligung des Bundesrates beschränkt. Vertreter einer weitergehenden formellen Prüfungskompetenz sehen die Kompetenz auf das ganze Gesetzgebungsverfahren erstreckt. Die Vertreter der weitestgehenden formellen Prüfungskompetenz wollen auch die Überprüfung der Verwaltungszuständigkeiten vom formellen Prüfungsrecht des Bundespräsidenten erfasst sehen, dies führt bspw. dazu dass der Bundespräsident im Rahmen seiner formellen Prüfungskompetenz auch das Verbot der Aufgabenübertragung des Bundes an Gemeinden und Gemeindeverbände (Art. 85 I 2 GG) überprüfen darf.

Materielle Prüfungskompetenz

Im Unterschied zur zugestandenen formellen Prüfungskompetenz ist diese hinsichtlich des materiellen Rechts umstritten. Es handelt sich hierbei um die Frage, ob der Bundespräsident ein ihm zur Unterzeichnung vorgelegtes Gesetz auf seine inhaltliche Übereinstimmung mit dem Grundgesetz überprüfen und seine Unterzeichnung von seinem Prüfungsergebnis abhängig machen darf. Damit würde das Gesetz nicht wirksam in Kraft treten können. (→ Gesetzgebungsverfahren)

Bezüglich eines solchen Prüfungsrechts werden verschiedene Ansichten vertreten. Insgesamt ist aber festzuhalten, dass die überwiegende Meinung eine solche Prüfungskompetenz wenigstens in den Fällen zugesteht, in denen ein Verstoß gegen die Verfassung offensichtlich ist. Danach ist der Bundespräsident nicht zur Unterzeichnung verpflichtet und das Gesetz tritt nicht in Kraft.

Denn es sei dem Bundespräsidenten als Teil der Verfassungsordnung nicht zuzumuten, einem offensichtlich verfassungswidrigem Gesetz sehenden Auges durch seine Unterschrift zur Rechtsgültigkeit zu verhelfen. Der Bundespräsident dürfe nur solche Akte vornehmen, die verfassungskonform seien, was aus dem Rechtsstaatsprinzip und der Stellung als Staatsoberhaupt aus dem Grundgesetz abzuleiten sei, gem. Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG. Ansonsten sei die Feststellung der Verfassungswidrigkeit Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts und es bestehe somit kein Anlass, ein Prüfungsrecht generell abzulehnen.

Dieser Auffassung wird entgegengehalten, dass das Bundesverfassungsgericht in Kraft getretene Gesetze prüfen könne. Zu einer präventiven Normenkontrolle sei das Bundesverfassungsgericht aber durch die Verfassung nicht berufen. Also müsse die materielle Prüfungskompetenz des Bundespräsidenten auch über die evidenten Fälle hinaus erweitert werden. Eine umfassende inhaltliche Kontrolle vorzunehmen sei zu gestatten, da dies der verfassungsrechtlichen Rollenverteilung entspräche. Zudem sei seine diesbezügliche Entscheidung vollumfänglich justiziabel und könne gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vom Parlament zur gerichtlichen Prüfung vorgelegt werden.

Für ein erweitertes materielles Prüfungsrecht wird auch angeführt, dass der Bundespräsident in bestimmten zugespitzten Situationen eine politisch-materielle Prüfungskompetenz habe, so z. B. wenn er über eine Parlamentsauflösung in Folge einer verbundenen Vertrauensfrage oder über die Erklärung eines Gesetzgebungsnotstands entscheide. Ein verabschiedetes Gesetz anzuhalten sei dagegen nur ein juristisches Minus, also politisch und verfassungsrechtlich ein milderes Mittel. (→ Vertrauensfrage)

Einige Autoren lehnen ein Prüfungsrecht überhaupt ab, da dem Bundespräsidenten ansonsten eine außergesetzliche Kompetenz zur Verwerfung von Gesetzen zugestanden würde, die aber nur dem Bundesverfassungsgericht im Normenkontrollverfahren obliege. Dem kann aber schon durch die angeführten Meinungen entgegnet werden, dass kein Staatsorgan blind der Verfassung folgen müsse und dadurch diese zu brechen helfe.

Konsequenzen

Wird ein Gesetz vom Bundespräsidenten nicht unterschrieben, so kommt es nicht zustande. Der Politik verbleiben als Möglichkeiten

  • die (verfassungskonforme) Änderung des Gesetzes selbst,
  • die Änderung des als verletzt beanstandeten Artikels des Grundgesetzes (mit Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat, vgl. Art. 79 Abs. 2 GG),
  • Organstreit vor dem Bundesverfassungsgericht mit dem Ziel, die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes und damit die Unrechtmäßigkeit der Verweigerung festzustellen und
  • den Bundespräsidenten, was bisher noch nie erfolgt ist, vor dem Bundesverfassungsgericht anzuklagen, was zu dessen Amtsenthebung führen kann (Art. 61 GG). Dazu benötigt es eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag oder Bundesrat.

Auflösung des Parlaments

Politische Befugnisse im weiteren Sinne wachsen dem Amtsinhaber nur in eng umrissenen Ausnahmesituationen zu, sind dann aber von weitreichender Bedeutung. So kann er in zwei Fällen den Bundestag auflösen: Sollte bei der Wahl des Bundeskanzlers der vorgeschlagene Kandidat für dieses Amt auch im dritten Wahlgang nur eine relative Mehrheit erhalten, hat der Bundespräsident die Möglichkeit, ihn zu ernennen (Minderheitsregierung) oder aber in den nächsten sieben Tagen den Bundestag aufzulösen (Artikel 63 des Grundgesetzes). In diesem Fall benötigt die Auflösungsanordnung keine Gegenzeichnung durch die Bundesregierung, zumal eine solche nicht im Amt ist.

Ebenso kann der Bundespräsident den Bundestag nach einer gescheiterten Vertrauensfrage auflösen (Artikel 68 des Grundgesetzes). Dies geschah bisher dreimal:

  • 1972: Gustav Heinemann
  • 1983: Karl Carstens
  • 2005: Horst Köhler

Allerdings wurden diese Auflösungen von den jeweiligen Regierungsfraktionen bewusst herbeigeführt, um gewünschte Neuwahlen zu ermöglichen. Gegen Carstens’ und Köhlers Auflösungsentscheidungen strengten Mitglieder des Bundestages Organklagen an. Das Bundesverfassungsgericht kam in beiden Entscheidungen zwar zu der Ansicht, dass der Bundespräsident zu prüfen hat, ob der Bundeskanzler tatsächlich nicht mehr das Vertrauen des Bundestages besitzt oder ob dieser die Auflösung missbräuchlich betreiben will, bestätigte aber letztlich die Auflösung des Bundestages.

Gesetzgebungsnotstand

Im Falle der verlorenen Abstimmung über die Vertrauensfrage ist der Bundespräsident auf Antrag der Bundesregierung und mit Zustimmung des Bundesrates befugt, aber nicht verpflichtet, den Gesetzgebungsnotstand nach Artikel 81 des Grundgesetzes zu erklären. Dieser Fall ist in der Geschichte der Bundesrepublik bisher noch nicht eingetreten.

Staatssymbole

Der Bundespräsident ist berechtigt, Nationalhymne, Flagge, Wappen, Uniformen, Dienstkleidung, Amtstracht der Richter des Bundes (mit Ausnahme der Richter am Bundesverfassungsgericht), deren Verwendung, sowie Staatsakte und Staatsbegräbnisse anzuordnen, sofern jeweils nicht der Gesetzgeber wie etwa bei der Bundesflagge (Artikel 22 Grundgesetz) tätig geworden ist. Diese Anordnungen müssen jeweils von einem Mitglied der Bundesregierung gegengezeichnet werden.

Die Nationalhymne wurde in Briefwechseln zwischen Bundespräsident Heuss und Bundeskanzler Adenauer 1952 bzw. zwischen Bundespräsident von Weizsäcker und Bundeskanzler Kohl 1991 festgelegt.[4] Die jeweilige Antwort der Bundeskanzler wird im Allgemeinen als Gegenzeichnung zur Verfügung des Bundespräsidenten interpretiert. Diese Deutung wird durch die Tatsache unterstützt, dass die Briefwechsel im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurden und damit einen quasi-offiziellen Charakter erhielten. Problematisch ist diese légere Praxis jedoch bei strafbewehrten Staatssymbolen unter dem Aspekt des Vorbehalts des Gesetzes.[5]

Diese Befugnisse haben keine Grundlage im Grundgesetz oder einem Bundesgesetz. Die Mehrheit der Staatsrechtslehrer begründet sie daher mit der traditionellen Definitionshoheit von Staatsoberhäuptern über Staatssymbole („Ehrenhoheit“).

Vom Bundespräsidenten verliehene Ehrenzeichen

Neben dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland verleiht der Bundespräsident folgende Ehrenzeichen: das Silberne Lorbeerblatt für herausragende sportliche Leistungen, die Silbermedaille für den Behindertensport (Verleihung bis 1993, danach erhielten Behindertensportler ebenfalls das Silberne Lorbeerblatt), das Grubenwehr-Ehrenzeichen für besondere Verdienste um das Grubenrettungswesen, die Zelter-Plakette aus Anlass des 100-jährigen Bestehens einer Chorvereinigung, die Pro-Musica-Plakette aus Anlass des 100-jährigen Bestehens einer Musikvereinigung, die Eichendorff-Plakette aus Anlass des 100-jährigen Bestehens von Wander- und Gebirgsvereinen, die Sportplakette aus Anlass des 100-jährigen Bestehens von Sportvereinen.

Stellung im politischen Alltag

Geschichtlicher Überblick

Die schwache Position des Bundespräsidenten, die vor allem an dem Gegenzeichnungserfordernis und seinen relativ geringen realpolitischen Befugnissen abzulesen ist, ist auch eine Reaktion auf die Erfahrungen der Weimarer Republik (sog. Antwortcharakter einer Verfassung). Während der Beratungen des Parlamentarischen Rates herrschte weitgehender Konsens aller Beteiligten, dass dem Präsidenten nicht wieder eine solch überragende Stellung im politischen System zukommen sollte wie seinerzeit dem Reichspräsidenten (v.a. Paul von Hindenburg). Insbesondere das Notverordnungsrecht (Artikel 48 der Weimarer Verfassung), das Recht des Reichspräsidenten, im Notfall mit präsidentiellen Erlassen am gewählten Parlament vorbei zu regieren, und das Recht des Reichspräsidenten, den Reichskanzler selbst zu ernennen und zwar in eigener politischer Entscheidung, werden als mitursächlich gesehen für die politische Krise der Weimarer Republik ab 1930 mit den Präsidialkabinetten unter den Kanzlern Heinrich Brüning, Franz von Papen und Kurt von Schleicher und schließlich das Abgleiten in die Diktatur unter Adolf Hitler.

Allerdings ermöglichte das Notverordnungsrecht der Weimarer Verfassung nicht zwangsläufig den Weg in die Präsidialdiktatur: in Art. 48 WRV war die Einrichtung eines noch zu beschließenden Ausführungsgesetzes vorgesehen, das die präsidialen Vollmachten erheblich konkretisieren und einschränken sowie einem Missbrauch Vorschub hätte leisten können. Im weiteren wurde auch die heute weggefallene allgemeine Befugnis des Präsidenten, das Parlament aufzulösen, in der Endphase der Weimarer Republik missbraucht. Noch während der Amtszeit Friedrich Eberts waren die umfangreichen Rechte in einer überwiegend als positiv bezeichneten Weise ausgeübt worden – das Scheitern der jungen Republik war also auch auf eine ungenügende Kontrolle der Verfassungseinhaltung zurückzuführen. Die Wegnahme der beiden wichtigen Rechte war schließlich eine deutliche Entmachtung des Präsidentenamts. Die Wahl und Absetzung des Bundeskanzlers liegt heute fast ausschließlich in der Hand des Bundestages.

Parallel zu dieser Schmälerung seiner Befugnisse wurde auch der Wahlmodus für den Präsidenten verändert: Wurde der Reichspräsident noch vom Volk direkt gewählt (1925 und 1932), so wird der Bundespräsident von der nur für diesen Zweck zusammentretenden Bundesversammlung gewählt. Damit wurde die demokratische Legitimation des Bundespräsidenten indirekter: Er ist nicht mehr unmittelbar vom Souverän gewähltes Organ der politischen Staatsführung. Die Ablehnung einer (Wieder-)Einführung einer Direktwahl des Bundespräsidenten wird auch damit begründet, dass ansonsten ein Missverhältnis zwischen starker demokratischer Legitimation (er wäre dann neben dem Bundestag das einzige direkt gewählte Verfassungsorgan) und geringer politischer Macht einträte.

Darüber hinaus erklärt sich die schwache Position des Bundespräsidenten durch die bereits zu Anfang der Bundesrepublik praktizierte „Kanzlerdemokratie“, die sich in ihrer starken Ausprägung in Adenauers Regierungszeit manifestierte. So ist der Grund für Adenauers Rückzieher von der eigenen Kandidatur zum Bundespräsidenten 1959 – neben seiner Abneigung seinem potentiellen Nachfolger Ludwig Erhard gegenüber – auch in der Erkenntnis zu sehen, dass er als Bundespräsident weniger Einfluss gehabt hätte denn als Bundeskanzler.

Reden und parteipolitische Neutralität

Bundespräsident Heinrich Lübke zu Besuch im bayerischen Kirchheim (Landkreis Unterallgäu).

Der Bundespräsident erzielt politische Wirkung hauptsächlich durch Reden, die gesellschaftliche Debatten aufgreifen oder anstoßen. Als Beispiele hierfür gelten die Weizsäcker-Rede anlässlich des 40. Jahrestages der Beendigung des Zweiten Weltkrieges 1985[6] und die so genannte „Ruck-Rede“ Roman Herzogs von 1997.[7] Wie kein anderer Politiker ist der Präsident von der Tagespolitik unabhängig und kann daher wesentlich freier Themen und Zeitpunkt seiner Äußerungen bestimmen.

Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von „Reden ohne Gegenzeichnung“ ist umstritten, da eine Rede in ihrer faktischen Wirkung möglicherweise einen stärkeren politischen Einfluss ausüben kann als ein formaler Akt, für den in nahezu jedem Fall eine Gegenzeichnung durch ein Mitglied der Bundesregierung notwendig ist. Die Mehrheit der Staatsrechtler geht allerdings bei Reden von einer gewissen Autonomie des Bundespräsidenten aus, zumal keine bindenden Entscheidungen gefällt werden und er immerhin zu den Verfassungsorganen zählt.

Der Amtsinhaber ist zur parteipolitischen Neutralität verpflichtet. Die Bundespräsidenten trugen dieser Verpflichtung bislang überwiegend Rechnung, indem sie Themen in einer eher abstrakten Weise ansprachen, die sich in keine parteipolitische Richtung interpretieren ließ, oder aber die Parteien insgesamt angriffen.

Die Tatsache, dass einige Bundespräsidenten sich zuerst in einer Partei verdient gemacht haben, von der sie später in der Bundesversammlung gewählt wurden, lässt Kritiker an der parteipolitischen Unabhängigkeit und Neutralität des Bundespräsidenten zweifeln.

Köhler ist der erste Präsident, der seine wichtigsten Ämter nicht in Deutschland innegehabt hat und damit wirklich von Außen in die deutsche Politik gekommen ist. Befürworter halten ihm entsprechend zugute, dass seine Reden nicht „rund geschliffen“ seien, um Kritikern keine Angriffsfläche zu bieten; vielmehr seien sie offen und würden Probleme treffend benennen. Hingegen halten Kritiker ihm vor, dass er damit die Überparteilichkeit des Amtes ebenso verletze wie das Gebot der Nichteinmischung in die Sachpolitik.

Eine bislang ungebrochene, ungeschriebene Regel ist, dass ein Bundespräsident nach seiner Amtszeit keine weiteren politischen Ämter mehr anstrebt, sondern allenfalls als elder statesman am öffentlichen Leben teilnimmt.

Vertretung

Stellvertreter des Bundespräsidenten ist gem. Art. 57 GG der Präsident des Bundesrates. Dies gilt unabhängig davon, ob der Bundespräsident nur zeitweilig abwesend oder aber amtsunfähig ist. Häufig findet das Vertretungsrecht faktisch nur auf Teile der Amtsbefugnisse des Bundespräsidenten Anwendung, etwa wenn der Bundespräsident auf Staatsbesuch ist und durchaus seinen (außenpolitischen) Verpflichtungen nachkommt, andererseits aber ein Gesetz unterschrieben werden muss. In einem solchen Fall wird das Gesetz regelmäßig vom Stellvertreter des Bundespräsidenten unterzeichnet.

Karitatives Engagement

Der Bundespräsident übernimmt eine Reihe von Schirmherrschaften über von ihm für sinnvoll erachtete Projekte. Auch wenn der Bundespräsident nicht an die Übernahme von Schirmherrschaften seiner Vorgänger gebunden ist, führt er etliche hiervon weiter, so die Schirmherrschaft über die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) und das Deutsche Rote Kreuz (DRK). Ebenso verleiht der Bundespräsident Preise, darunter den Deutschen Zukunftspreis, und gratuliert zu Jubiläen, zum Beispiel für den 65. Hochzeitstag oder den 100. Geburtstag. Ebenfalls übernimmt er die Ehrenpatenschaft für das siebte Kind in einer Familie.

Juristischer Sonderstatus und Möglichkeit der Amtsenthebung

Privilegien im Straf- und Zivilrecht

Wenn der Bundespräsident als Zeuge in einem Verfahren aussagen soll, muss er in seiner Wohnung vernommen werden. Zur Hauptverhandlung wird er nicht geladen. Das Protokoll über seine gerichtliche Vernehmung ist in der Hauptverhandlung zu verlesen. Dies ergibt sich für den Zivilprozess aus § 375 Abs. 2 ZPO und für den Strafprozess aus § 49 StPO.

Wer sich der Verunglimpfung des Bundespräsidenten (§ 90 StGB) strafbar macht, kann strafrechtlich nur verfolgt werden, wenn der Bundespräsident die Strafverfolgungsbehörden dazu ermächtigt. Eine Nötigung des Bundespräsidenten (§ 106 StGB) kann jedoch auch ohne dessen Einverständnis verfolgt werden.

Während seiner Amtszeit genießt der Bundespräsident strafrechtliche Immunität. Der Bundespräsident kann nicht abgewählt werden. Die einzige Möglichkeit, ihn seines Amtes zu entheben, ist die Präsidentenanklage vor dem Bundesverfassungsgericht nach Artikel 61 GG.

Präsidentenanklage

Die Präsidentenanklage kann gem. Art. 61 GG auf Antrag eines Viertels der Mitglieder des Bundestages oder des Bundesrates durch Beschluss mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit von Bundestag oder Bundesrat beim Bundesverfassungsgericht eingereicht werden. Nach Erhebung der Anklage kann das Bundesverfassungsgericht per Einstweiliger Anordnung erklären, dass der Präsident an der Ausübung seines Amtes verhindert ist. Kommt es im Verfahren dann zu dem Schluss, der Bundespräsident habe vorsätzlich gegen das Grundgesetz oder gegen ein Bundesgesetz verstoßen, kann es ihn des Amtes entheben.

Das Instrument der Präsidentenanklage ist in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bisher noch nie angewendet worden.

Wahl des Bundespräsidenten

Unvereinbarkeiten (Inkompatibilität)

Der Bundespräsident darf nach Artikel 55 des Grundgesetzes weder der Regierung noch einer gesetzgebenden Körperschaft auf Bundes- oder Landesebene angehören. Ob sich dies auch auf kommissarische Regierungsämter erstreckt, ist nicht normativ geklärt (siehe Wahl des deutschen Bundespräsidenten 1974, nach der Walter Scheel sowohl amtierender Bundeskanzler als auch gewählter Bundespräsident war).

Er darf ferner kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben und darf weder der Leitung noch dem Aufsichtsrat eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens angehören.

Nach § 22 des Europawahlgesetzes endet mit der Annahme der Wahl zum Bundespräsidenten auch eine etwaige Mitgliedschaft im Europäischen Parlament.

Kandidatenauswahl

Zum Bundespräsidenten kann sich wählen lassen, wer deutscher Staatsangehöriger ist, das Wahlrecht zum Bundestag besitzt und mindestens 40 Jahre alt ist (Art. 54 Abs. 1 GG; de facto war der bisher jüngste Bundespräsident, Walter Scheel, bei seiner Wahl 54 Jahre alt; für den Bundeskanzler gibt es eine solche Altersbeschränkung nicht, aber auch hier war die jüngste Amtsinhaberin, Angela Merkel, bei ihrer Wahl 51 Jahre alt).

Die Kandidatenauswahl im Vorfeld der Wahl ist stark von der absehbaren parteipolitischen Stimmverteilung in der Bundesversammlung und parteitaktischen Überlegungen geprägt. Je nach Ausgangslage versuchen die beiden großen Parteien, in einem innerparteilichen Prozess einen Kandidaten zu finden, für den sich in der Bundesversammlung eine Mehrheit mobilisieren lässt.

Die Dominanz solcher Überlegungen und Absprachen bei der Kandidatenauswahl, führten zu Diskussionen, die Verfassung zu ändern und eine Direktwahl des Bundespräsidenten durch das Volk zu ermöglichen. Befürworter argumentieren, eine Direktwahl durch das Volk würde das gesamte Wahlverfahren transparenter machen und Entscheidungen wieder aus politischen Hinterzimmern in das Licht der Öffentlichkeit bringen. Gegner einer Direktwahl meinen, dass eine Direktwahl den Prinzipien einer repräsentativen Demokratie zuwider laufen würde und außerdem das Amt des Präsidenten zu wenig Machtbefugnisse habe, um für eine Direktwahl in Frage zu kommen.

Bundesversammlung und Ablauf der Wahl

Hauptartikel: Bundesversammlung

Die Zusammensetzung der Bundesversammlung spiegelt das föderative System der Bundesrepublik Deutschland wider: Sie besteht aus den Mitgliedern des Bundestags und ebenso vielen von den 16 Landesparlamenten gewählten Wahlmännern. Üblicherweise handelt es sich hierbei um Landtagsabgeordnete und einige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, etwa aus Wirtschaftsverbänden oder Prominente.

Der Bundespräsident wird von der Bundesversammlung ohne Aussprache und geheim gewählt. Bei der Wahl muss ein Kandidat die (absolute) Mehrheit der Mitglieder auf sich vereinen. Erst wenn dies in zwei Wahlgängen keinem Kandidaten gelingt, reicht in einem dritten Wahlgang die relative Mehrheit aus. Die Wahl erfolgt auf fünf Jahre; eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Staatsrechtler sind überwiegend der Meinung, dass die Formulierung „Anschließende Wiederwahl ist nur einmal zulässig“ im Artikel 54 des Grundgesetzes mehr als zwei Amtszeiten einer Person gestattet, sofern nicht mehr als zwei Amtszeiten unmittelbar aneinander anschließen. Wählbar ist jeder Deutsche, der das 40. Lebensjahr vollendet hat und das passive Wahlrecht besitzt.

Vereidigung

In einer gemeinsamen Sitzung von Bundestag und Bundesrat wird der neue Bundespräsident am Tag des Amtsantritts (üblicherweise der 1. Juli) vom Bundestagspräsidenten vereidigt. Der Eid lautet nach Artikel 56 GG: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“ Die religiöse Beteuerung kann auch weggelassen werden. Der Eid muss auch als solcher geleistet werden; eine Bekräftigung – wie sie im Strafgesetzbuch für Personen vorgesehen ist, die aus religiösen Gründen keinen Eid leisten möchten – ist nicht zulässig. Diese Verpflichtung wird als verfassungsmäßig angesehen, da die Übernahme des Amtes des Bundespräsidenten freiwillig sei und der Eid in der Verfassung selbst vorgesehen.

Ab dem Zeitpunkt seiner Vereidigung erhält der Bundespräsident eine Besoldung von etwa € 213.000 jährlich, die nach dem Ausscheiden aus dem Amt als Ehrensold bis zum Lebensende ausgezahlt wird.

Ende der Amtszeit

Seit dem Jahr 1969 endete die Amtszeit des Bundespräsidenten stets mit Ablauf des 30. Juni, und sein Nachfolger trat sein Amt mit Beginn des 1. Juli an. Der Bundespräsident wird traditionell mit einem Großen Zapfenstreich aus seinem Amt verabschiedet. Bisher lehnte dies nur Gustav Heinemann ab.

Diese Regel kann allerdings jederzeit durch die vorzeitige Erledigung des Amtes des Bundespräsidenten unterbrochen werden. Die Amtszeit endet vorzeitig, wenn der Bundespräsident

  • stirbt,
  • zurücktritt (bisher einziger Fall: Demission Heinrich Lübkes mit Wirkung vom Ablauf des 30. Juni 1969),
  • seine Wählbarkeit verliert, indem er
    • die deutsche Staatsangehörigkeit aufgibt oder
    • das (aktive bzw. passive) Wahlrecht verliert, weil für ihn zur Besorgung aller seiner Angelegenheiten ein Betreuer nicht nur durch einstweilige Verfügung bestellt ist oder er sich aufgrund einer Anordnung in einer psychiatrischen Klinik befindet; Artikel 54 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes in Verbindung mit § 15 Bundeswahlgesetz) oder
  • nach Artikel 61 des Grundgesetzes seines Amtes enthoben wird (siehe oben).

In diesem Fall tritt die Bundesversammlung nach Artikel 54 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes spätestens 30 Tage nach der Erledigung des Amtes zusammen und wählt einen Bundespräsidenten, dessen Amtszeit unmittelbar nach der Annahme der Wahl beginnt. Bis zur Neuwahl übt der Präsident des Bundesrates die Befugnisse des Bundespräsidenten aus.

Im Verteidigungsfall kann sich die Amtszeit des Bundespräsidenten nach Artikel 115h des Grundgesetzes verlängern. Die Amtszeit des Bundespräsidenten oder die Wahrnehmung der Befugnisse durch den Präsidenten des Bundesrates im Vertretungsfall enden in diesem Falle neun Monate nach Beendigung des Verteidigungsfalles.

Amtssitz und Hoheitszeichen

Schloss Bellevue

Erster Amtssitz des Bundespräsidenten ist das Schloss Bellevue in Berlin, zweiter Amtssitz die Villa Hammerschmidt in Bonn. Das 1998 eingeweihte Bundespräsidialamt – wegen seiner Form auch „Präsidentenei“ genannt – befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Schloss Bellevue. Die Standarte des Bundespräsidenten ist ein rotgerändertes, goldfarbenes Quadrat, in dem sich der Bundesadler, schwebend, nach der Stange gewendet, befindet. Das Verhältnis der Breite des roten Randes zur Höhe der Standarte ist wie 1:12 (gemäß der Anordnung über die deutschen Flaggen). Wenn der Bundespräsident in Berlin verweilt oder abwesend ist, ohne am Aufenthaltsort eine offizielle Residenz (etwa bei einem Staatsbesuch) einzurichten, ist das Stander am Schloss Bellevue gesetzt, andernfalls nicht.

Die bisherigen Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland

Villa Hammerschmidt

Überblick

Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland
Nr. Name (Lebensdaten) Partei Beginn der Amtszeit Ende der Amtszeit Wahl(en)
1 Theodor Heuss (1884–1963) FDP 13. September 1949 12. September 1959 1949/1954
2 Heinrich Lübke (1894–1972) CDU 13. September 1959 30. Juni 1969 1959/1964
3 Gustav Heinemann (1899–1976) SPD 1. Juli 1969 30. Juni 1974 1969
4 Walter Scheel (* 1919) FDP 1. Juli 1974 30. Juni 1979 1974
5 Karl Carstens (1914–1992) CDU 1. Juli 1979 30. Juni 1984 1979
6 Richard von Weizsäcker (* 1920) CDU 1. Juli 1984 30. Juni 1994 1984/1989
7 Roman Herzog (* 1934) CDU 1. Juli 1994 30. Juni 1999 1994
8 Johannes Rau (1931–2006) SPD 1. Juli 1999 30. Juni 2004 1999
9 Horst Köhler (* 1943) CDU 1. Juli 2004 2004

Vom 7. September bis 12. September 1949 war Bundesratspräsident Karl Arnold amtierendes Staatsoberhaupt, weil es noch keinen Bundespräsidenten gab.

Theodor Heuss (1949–1959)

Theodor Heuss prägte als erster Bundespräsident dieses Amt in ähnlicher Weise wie Konrad Adenauer das Amt des Bundeskanzlers. Der Liberale, der schon in der Weimarer Republik Mitglied des Reichstages gewesen war, übte sein Amt weitestgehend überparteilich aus und konnte durch seinen demokratischen und kulturellen Hintergrund auch im Ausland Vertrauen in das neue demokratische Westdeutschland zurück gewinnen. Auch seine intellektuellen Reden zu aktuellen Streitfragen ließen ihn zum Vorbild für seine Nachfolger werden. Eine dritte Amtszeit, zu der eine Grundgesetzänderung nötig gewesen wäre, lehnte er ab, da er die Schaffung einer „lex Heuss“ vermeiden wollte.

Heinrich Lübke (1959–1969)

Schon die Art der Nominierung Heinrich Lübkes zum Bundespräsidenten als Ersatz für den sich von seiner ursprünglich geplanten Bundespräsidentenkandidatur zurückziehenden Adenauer prädestinierte ihn zu einer schwachen Präsidentschaft. Dennoch versuchte er, auch als Bundespräsident in die Politik einzugreifen. Zum Teil scheiterte er dabei (auch er wollte sich wie Heuss eine Ministerliste vorlegen lassen), zum Teil gelang es ihm, etwa indem er für die Bundespräsidenten das Recht in Anspruch nahm, Gesetze „anzuhalten“, wenn sie gegen das Grundgesetz verstoßen. Dennoch bleiben von seiner Präsidentschaft häufig nur rhetorische Fehlgriffe in Erinnerung, die auch auf Auslandsreisen zu peinlichen Situationen führten.

Gustav Heinemann (1969–1974)

Obwohl Gustav Heinemann nicht – wie alle Vorgänger und Nachfolger – mit einer absoluten Mehrheit ins Amt gewählt worden war, wurde er als vollwertiger Bundespräsident anerkannt. Seine Wahl war insofern hochpolitisch, als sie die später im Jahr 1969 folgende sozialliberale Koalition vorweg nahm. Seine tiefen moralischen Überzeugungen, die ihn 1950 aus Protest gegen die Wiederbewaffnung zum Rücktritt als Bundesinnenminister und zum Austritt aus der CDU geführt hatten, machten ihn zu einem anerkannten Bundespräsidenten, der sich selbst als „Bürgerpräsident“ betrachtete und die demokratischen und liberalen Traditionen Deutschlands betonte. Obwohl ihm die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung 1974 eine Wiederwahl ermöglicht hätten, verzichtete er auf die Kandidatur für eine zweite Amtszeit.

Walter Scheel (1974–1979)

Der erste ehemalige stellvertretende Bundeskanzler im Amt des Bundespräsidenten versuchte auch in seinem neuen Amt politisch mitzuwirken. Dieses Ansinnen scheiterte jedoch auch am entschiedenen Widerstand von Bundeskanzler Schmidt, so dass Walter Scheel vor allem als singender Bundespräsident in Erinnerung geblieben ist („Hoch auf dem gelben Wagen“). Angesichts der Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung stellte sich Scheel nicht erneut der Wahl und schied nach einer Amtszeit am 30. Juni 1979 aus dem Amt des Bundespräsidenten.

Karl Carstens (1979–1984)

Karl Carstens war der fünfte Bundespräsident der Bundesrepublik. Seine staatsrechtlich bedeutsamste Entscheidung war die Auflösung des Bundestages nach der absichtlich verlorenen Vertrauensfrage Helmut Kohls 1982/1983. Gegen diese Anordnung des Bundespräsidenten hatten einige Abgeordnete geklagt, das Bundesverfassungsgericht bestätigte in einem umstrittenen Urteil allerdings Carstens’ Entscheidung. Ähnlich wie Scheel der breiten Bevölkerung als singender Präsident in Erinnerung geblieben war, ist Carstens durch seine Vorliebe fürs Wandern bekannt geworden.

Richard von Weizsäcker (1984–1994)

Richard von Weizsäcker ging als einer der bedeutendsten Bundespräsidenten in die Geschichte ein. Schon seine Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai 1985 brachte ihm großen internationalen Respekt, aber auch Kritik aus konservativen Kreisen ein, da er die Interpretation des 8. Mai vom „Tag der Niederlage“ hin zum „Tag der Befreiung“ verschob. Seine teils scharfe Kritik am Parteienstaat kann auch mit einer persönlichen Distanz zu Bundeskanzler Kohl erklärt werden. Bei seiner Wiederwahl 1989 trat zum ersten Mal in der bundesdeutschen Geschichte nur ein einziger Kandidat (nämlich Weizsäcker) an.

Roman Herzog (1994–1999)

Der bis zu seiner Wahl als Präsident des Bundesverfassungsgerichtes amtierende Roman Herzog wird besonders als Präsident der Ruck-Rede in Berlin 1997 wahrgenommen. Diese Rede war ein Beispiel seiner Kritik an der politischen Situation in Deutschland. Er begründete damit die Idee der Berliner Rede, die von Bundespräsident Rau fortgeführt wurde. Herzogs Amtszeit war geprägt durch die Anprangerung vermeintlicher Versäumnisse der Politik in Anbetracht der wirtschaftlichen Situation. Auch ein anderes wichtiges Werk von Herzog begann 1997, als er den Deutschen Zukunftspreis ins Leben rief.

Johannes Rau (1999–2004)

Johannes Rau führte die Berliner Reden fort und hielt sie jedes Jahr erneut. Er sprach in ihr Themen wie die Integration von Ausländern und die Auswirkungen von Gentechnologie und Globalisierung an. Er vermied jedoch im Wesentlichen Angriffe auf handelnde Politiker. Seinen – durchaus nicht nur abwertend gemeinten – Spitznamen „Bruder Johannes“ hatte er jedoch schon wesentlich früher wegen seiner öffentlich gelebten Religiosität erhalten. Andere fanden sein Lebensmotto „Versöhnen statt Spalten“, an das er sich auch während seiner Amtszeit zu halten versuchte, für den Inhaber des Bundespräsidentenamtes ideal. Johannes Rau hielt als erster Bundespräsident eine Rede auf Deutsch vor dem israelischen Parlament, der Knesset.

Horst Köhler (seit 2004)

Horst Köhler ist der erste Bundespräsident, der vorher kein anderes innenpolitisches Mandat innehatte. Ihm wohlgesinnte Beobachter bescheinigen ihm mit dieser Begründung größere Unabhängigkeit und Distanz. Auch er hält weiterhin jährlich die Berliner Rede. Seine Äußerungen zur Tagespolitik tendieren zu einer der Wirtschaft gegenüber gemischten und patriotischen Haltung, etwa indem er die Agenda 2010 von Bundeskanzler Schröder als „noch zu wenig weit reichend“ bezeichnete oder die versuchte Verlegung des Tages der Deutschen Einheit öffentlich kritisierte. Andererseits bezeichnete er die internationalen Finanzmärkte aber auch als „Monster“[8].

Schon in seiner Antrittsrede direkt nach der Wahl in der Bundesversammlung wies Köhler darauf hin, dass sich die Einstellung der Deutschen gegenüber Kindern deutlich ändern müsse. Seine Rede stellte auch mit den viel beachteten Worten „Ich liebe unser Land“ für manche einen Tabubruch dar. Viel Lob, aber auch gleichzeitig viel Kritik zog er auf sich durch die Äußerung, dass unterschiedliche Lebensverhältnisse in den neuen und alten Bundesländern zur Normalität gehörten.

Seine bisher staatsrechtlich bedeutsamste Entscheidung war die Neuwahlen ermöglichende Auflösung des Deutschen Bundestages im Jahr 2005. Auch hier klagten Politiker gegen diese Entscheidung beim Bundesverfassungsgericht, wurden jedoch wie zuvor 1983 abgewiesen. Nachdem Köhler innerhalb von nur sechs Wochen im Oktober und Dezember 2006 zwei Gesetze der Großen Koalition unter Ausnutzung der materiellen Prüfungskompetenz nicht ausfertigte, unterstellten ihm einige Politiker und Journalisten, ein anderes Amtsverständnis als etwa seine Vorgänger zu haben.

Ehefrauen der Bundespräsidenten

Nr.
Ehefrau
Bundespräsident
1 Elly Heuss-Knapp Theodor Heuss
2 Wilhelmine Lübke Heinrich Lübke
3 Hilda Heinemann Gustav Heinemann
4 Mildred Scheel Walter Scheel
5 Veronica Carstens Karl Carstens
6 Marianne von Weizsäcker Richard von Weizsäcker
7 Christiane Herzog Roman Herzog
8 Christina Rau Johannes Rau
9 Eva Luise Köhler Horst Köhler

Seit Elly Heuss-Knapp haben sich die Ehefrauen der Bundespräsidenten auch in dieser – ungewählten – Position karitativ engagiert. Traditionell übernehmen sie die Schirmherrschaft über das von Frau Heuss-Knapp begründete Müttergenesungswerk. Von den bisherigen Präsidentengattinnen haben sich besonders Mildred Scheel (Deutsche Krebshilfe) und Christiane Herzog (Mukoviszidose-Stiftung) für kranke Menschen eingesetzt. Seit Frau Herzog hat sich das auch öffentlich dargestellte karitative Engagement eingebürgert.

Literatur

  • Klaus Stern: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. B d 2. Staatsorgane, Staatsfunktionen, Finanz- und Haushaltsverfassung, Notstandsverfassung. Beck, München 1980. ISBN 3-406-07018-3
  • Eberhard Jäckel, Horst Möller, Hermann Rudolph (Hrsg.): Von Heuss bis Herzog – die Bundespräsidenten im politischen System der Bundesrepublik. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1999. ISBN 3-421-05221-2
  • Günther Scholz: Die Bundespräsidenten: Biographien eines Amtes. Bouvier, Bonn 1997. ISBN 3-416-02573-3

Weblinks

Portal
 Portal: Politik – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Politik

Einzelnachweise

  1. Information des Bundespräsidialamtes über das Wirken des Bundespräsidenten im Ausland
  2. „Bundespräsident Horst Köhler fertigt Gesetz zur Neuregelung der Flugsicherung nicht aus“ – Pressemitteilung des Bundespräsidenten vom 24. Oktober 2006
  3. „Bundespräsident Horst Köhler fertigt Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Verbraucherinformation nicht aus“ – Pressemitteilung des Bundespräsidenten vom 8. Dezember 2006
  4. Briefwechsel 1991
  5. BVerfGE 81, 298
  6. Rede vom 8. Mai 1985
  7. Berliner Rede von Roman Herzog, vom 26. April 1997 – „Ruck-Rede“
  8. http://www.tagesspiegel.de/zeitung/Titelseite;art692,2530801


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