Ukrainische Sprache

Ukrainische Sprache
Ukrainisch (українська мова)

Gesprochen in

Ukraine, Russland, Kasachstan, Kanada, Weißrussland, Brasilien, Portugal, Argentinien, Kirgisistan, Rumänien, Usbekistan, Polen, Georgien
Sprecher 45 Millionen[1]
Linguistische
Klassifikation
Offizieller Status
Amtssprache von UkraineUkraine Ukraine
Flag of Transnistria.svg Transnistrien
Sprachcodes
ISO 639-1:

uk

ISO 639-2:

ukr

ISO 639-3:

ukr

Ukrainisch (Eigenbezeichnung українська (мова)/ukrajinska (mowa), wiss. Transliteration ukrajins’ka mova, veraltet auch als Kleinrussisch und manchmal auch als Ruthenisch bezeichnet) ist eine Sprache aus der ostslawischen Untergruppe des slawischen Zweigs der indogermanischen Sprachen.

Ukrainisch ist nach dem Russischen und Polnischen die drittgrößte slawische Sprache sowie alleinige Amtssprache der Ukraine und wird dort von 35 Millionen Menschen als Muttersprache gesprochen. Daneben gibt es Nicht-Ukrainer, die Ukrainisch als Zweitsprache verwenden.

Ukrainisch wird mit dem kyrillischen Alphabet geschrieben, wobei die ukrainische Version in einigen Buchstaben von der russischen abweicht.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Verbreitung (Prozentzahl der Sprecher) der ukrainischen Sprache in den Gouvernements des Russischen Reiches nach der offiziellen Statistik 1897
Heutige Verbreitung (Prozentzahl der Sprecher) der Ukrainischen Sprache in der Republik Ukraine nach der offiziellen Statistik 2001

Ukrainisch gehört zusammen mit dem Russischen und dem Weißrussischen zur ostslawischen Sprachgruppe.

Die Bezeichnung für das gesamte ostslawische Territorium führte regelmäßig zu Verwechslungen, weil „Rus“ mit Russland gleichgesetzt wurde. So kam es beispielsweise zu den Sprachbezeichnungen „Großrussisch“ für Russisch, „Kleinrussisch“ für Ukrainisch, womit Ukrainisch oftmals als Dialekt oder Unterart des Russischen eingeordnet wurde.

In der ältesten Epoche (ungefähr bis zum 14. Jahrhundert) hatten alle Ostslawen eine gemeinsame Schriftsprache (Altostslawisch), in der mittleren (ca. 15. bis 18. Jahrhundert) benutzten die Vorfahren der heutigen Ukrainer und Weißrussen gemeinsam die ruthenische Sprache.

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts entwickelte sich neben dem bis dahin gebräuchlichen Kirchenslawischen eine aus der Volkssprache kommende ukrainische Schriftsprache und Literatur. Im 19. Jahrhundert erlebte die ukrainische Kultur und damit auch ihre Literatursprache eine Blütezeit; die Entwicklung konzentrierte sich weniger auf politische als auf wissenschaftliche Themen. Literaten wie Gogol bevorzugten Russisch.

Dennoch wurde 1876 aus Angst vor separatistischen Bestrebungen von Zar Alexander II. auf Betreiben der zaristischen Zensurbehörde in Bad Ems ein weitreichendes Verbot ukrainischsprachiger Publikationen ausgesprochen (Emser Erlass). Bis 1906 unterlagen ukrainische wissenschaftliche Publikationen, Lesungen, Ausstellungen und Konzerte diesem Diktat. Der bedeutendste ukrainische Dichter Taras Schewtschenko (1814–1861) wurde für seine Texte und Gedichte in die turkmenische Verbannung geschickt.

Geografische Verbreitung der ukrainischen Sprache als Hauptverkehrssprache (dunkelblau) und Zweitsprache (hellblau). Die hellblauen Flecken bedeuten zumeist die Großstädte

In der Karpatoukraine und auf dem Gebiet Ungarns und der späteren Slowakei gab es bereits im 19. Jahrhundert Bestrebungen zu einer eigenen Schriftsprache, die zwar auch auf den örtlichen ukrainischen Dialekten beruhte, sich aber von der ukrainischen Standardsprache unterschied. Diese Bestrebungen haben ab dem Ende der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts wieder zugenommen, ihr Ergebnis war die Kodifikation der karpato-russinischen Sprache auf der Grundlage des Dialekts von Zemplin. Stärker abweichend ist die jugoslawo-russinische Sprache in der Vojvodina, die aber auch ursprünglich auf einem ukrainischen Dialekt beruht.

Mit der Gründung einer ukrainischen Volksrepublik 1918 wurde Ukrainisch erstmalig zur Staatssprache, später auch in der Ukrainischen Sowjetrepublik. Während der Sowjetzeit war Ukrainisch also nicht verboten, jedoch dominierte die russische Sprache als Verkehrssprache alle wissenschaftlichen und literarischen Arbeiten sowie die Medien. Deshalb unterliegt die Umgangssprache bis heute starken russischen Einflüssen. Dies ist besonders dann bemerkbar, wenn ein Vergleich mit dem Wortschatz der starken ukrainischen Diaspora in Kanada vorgenommen wird: hier tauchen wesentlich weniger Begriffe russischen Ursprungs auf, während „kanadisch-ukrainische“ Wörter im einheimisch-ukrainischen Sprachgebrauch selten benutzt werden oder in der Umgangssprache veraltet und exotisch wirken.

Mit der Unabhängigkeit der Ukraine 1991 wurde Ukrainisch zur Amtssprache des neuen Staates. Es gab hierüber heftige Debatten, da auf dem Staatsgebiet der Ukraine einerseits nach verschiedenen Angaben ca. 22 bis 40 Prozent der Bevölkerung Russen sind, andererseits auch viele Ukrainer, besonders im Osten des Landes, ausschließlich russisch sprechen. Eine im ganzen Land verbreitete (seit der Unabhängigkeit mit fallender Tendenz), nur mündlich verwendete Mischform des Ukrainischen und Russischen ist der Surschyk.

Aufgrund dieser historischen Entwicklung ist die Sprache für viele Ukrainer bis heute ein hochpolitisches Thema, das manchmal vehement diskutiert wird.

Alphabet

Das heutige ukrainische Alphabet mit der wissenschaftlichen Transliteration und der deutschen Transkription:

Groß (HTML-Entity) Klein (HTML-Entity) wissenschaftliche
Transliteration
deutsche
Transkription
А (А) а (а) A a A a
Б (Б) б (б) B b B b
В (В) в (в) V v W w
Г (Г) г (г) H h H h
Ґ (Ґ) ґ (ґ) G g G g
Д (Д) д (д) D d D d
Е (Е) е (е) E e E e
Є (Є) є (є) Je je Je je
Ж (Ж) ж (ж) Ž ž Sch (Zh) sch (zh)
З (З) з (з) Z z S s
И (И) и (и) Y y Y y
І (І) і (і) I i I i
Ї (Ї) ї (ї) Ji ji Ji ji
Й (Й) й (й) J j J j
К (К) к (к) K k K k (statt ks auch x)
Л (Л) л (л) L l L l
М (М) м (м) M m M m
Н (Н) н (н) N n N n
О (О) о (о) O o O o
П (П) п (п) P p P p
Р (Р) р (р) R r R r
С (С) с (с) S s S s (zwischen Vokalen auch ss)
Т (Т) т (т) T t T t
У (У) у (у) U u U u
Ф (Ф) ф (ф) F f F f
Х (Х) х (х) Ch ch Ch ch
Ц (Ц) ц (ц) C c Z z
Ч (Ч) ч (ч) Č č Tsch tsch
Ш (Ш) ш (ш) Š š Sch sch
Щ (Щ) щ (щ) Šč šč Schtsch schtsch (Stsch stsch)
ь (ь) ’ bzw. j 1 (Weichheitszeichen) (–) bzw. j
Ю (Ю) ю (ю) Ju ju Ju ju
Я (Я) я (я) Ja ja Ja ja
’ (Apostroph) 2 (–)

Hinweise:
1: nur nach Konsonanten; ein Großbuchstabe existiert nicht; palatisiert den vorangehenden Konsonanten; „j“ vor „o“, sonst (im Auslaut und vor Konsonanten) „’“; in der Transkription „j“ vor „o“, sonst nicht wiedergegeben
2: nur zwischen Konsonanten und „j“ + Vokal; in der Transkription gewöhnlich nicht wiedergegeben

Wortschatz und Aussprache

Aufgrund der relativ späten Differenzierung der einzelnen slawischen Sprachen aus dem gemeinsamen Ursprung Urslawisch ist der gemeinsame Wortschatz vergleichsweise groß, er beträgt etwa zwei Drittel. Ukrainisch unterscheidet sich in Wortschatz, Lautbildung und Satzbau vom Russischen etwas stärker als Weißrussisch und hat darüber hinaus viele Lehnwörter aus dem Polnischen.

Im direkten Vergleich mit der russischen Sprache nennt J. B. Rudnyckyj (Lehrbuch der ukrainischen Sprache, Wiesbaden 1964) unter anderem folgende Lautverschiebungen (jeweils das erste Wort russisch und das zweite ukrainisch):

  • Itavismus: die Vokale e und o werden in geschlossenen Silben zu i
    Bsp.: Львов (Lwow) – Львів (Lwiw), кошка (koschka – Katze) – кішка (kiška)
  • Ikavismus: der „jat“-Laut je wird zu i
    Bsp.: месяц (mjesjaz – Monat, Mond) – місяць (misjaz'), медь (Mjed' – Kupfer) – мідь (Mid')
  • harte Konsonanten vor dem e
    Bsp.: весна (vjesná – Frühling) – весна (vesna), перед (pjered – vor) – перед (pered)
  • Verschmelzung der altslawischen Laute i und ы zu и
    Bsp.: пиво (pívo – Bier) – пиво (pyvo), нитка (nítka) – нитка (nytka)
  • Entwicklung des g-Lauts zu h
    Bsp.: голова (galavá) – Kopf – голова (holova), горло (górlo Kehle, Hals) – горло (horlo)
  • die Vokalisierung des l-Lautes, geschrieben в
    Bsp.: пил (pil – er trank) – пив (pyv), брал (bral – er nahm) – брав (brav), волк (wolk - Wolf) - вовк (wowk).

Ein Beispiel für Unterschiede im Wortschatz ist das Verb heiraten:

  • russisch: жениться (für den Mann; Wortstamm жена – Frau), выходить замуж (für die Frau; wörtlich: hinter den Mann treten)
  • ukrainisch: одружуватися (für beide Geschlechter; Wortstamm дружба – Freundschaft, auch дружина - Gattin)

Grammatik

Siehe Hauptartikel: Ukrainische Grammatik.

Die ukrainische Sprache unterscheidet sieben Fälle (відмінки):

  • Nominativ (називний відмінок)
  • Genitiv (родовий відмінок)
  • Dativ (давальний відмінок)
  • Akkusativ (знахідний відмінок)
  • Instrumentalis (орудний відмінок)
  • Lokativ (місцевий відмінок), entspricht dem Russischen Präpositiv
  • Vokativ (кличний відмінок), reine Anredeform

Bei der Flexion der Substantive unterscheidet man neben dem Terminus „Deklination“ die sogenannten Deklinationsklassen (відміна), wobei diese zusätzlich zum grammatischen Genus die Flexion bestimmen. Darüber hinaus werden innerhalb einiger Deklinationsklassen Gruppen unterschieden, die sich durch die Art ihrer Endungen (hart, weich, gemischt) charakterisieren.

Eine Eigenheit ukrainischer Adjektive ist die Bildung von Formen, die eine emotionale Einstellung zu Personen und Gegenständen kennzeichnen; diese kann verkleinernd, liebkosend, vergrößernd oder vergröbernd sein. So wird zum Beispiel das Adjektiv „schön“ (гарний) durch die Form гарненький „verzärtlicht“ (siehe Diminutiv bei Substantiven). Die Adjektive werden ebenfalls in zwei Gruppen (hart und weich) dekliniert.

Während man im Ukrainischen nur drei Zeitkategorien (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) des Verbs unterscheidet, spielt die Kategorie der „Aktionsart“ (Aspekt) eine große Rolle (wie auch in anderen slawischen Sprachen). Jedes Verb existiert in zwei Aspekten, dem unvollendeten und dem vollendeten Aspekt. In ihrer lexikologischen Bedeutung sind diese Aspektpaare identisch. Die jeweils imperfekte Verbform drückt eine unvollendete, in der Zeit nicht begrenzte Handlung in Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft aus. Die perfekte Verbform dagegen kommt nur im Präteritum und Präsens vor, wobei das Präsens die grammatische Zukunft ausdrückt. Diese Besonderheit des Verbs kann viele verschiedene Funktionen und Merkmale annehmen, die dem Nicht-Muttersprachler schwer zu vermitteln sind; der Bedeutungsunterschied kann manchmal nur aus dem Kontext verstanden oder gar erspürt werden.

Literatur

  • Svetlana Amir-Babenko, Franz Pfliegl, Praktische Kurzgrammatik der ukrainischen Sprache, Buske, Hamburg 2005, 978-3-87548-371-0
  • Svetlana Amir-Babenko, Lehrbuch der ukrainischen Sprache, Buske, Hamburg 2007, ISBN 978-3-87548-479-3

Quellenangaben

  1. http://www.forost.lmu.de/sprachdatenbank/sprachdatenbank.php?display=Ukrainisch:sprachdaten:verbreitung

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Ukrainisch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Commons: Ukrainische Sprache – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Commons: Ukrainische Aussprache – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien



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